KÖLNER KÖPFE das Angebot angenommen habe, ein Zimmer im Johanneshaus zu beziehen. Aber ich fühle mich Zollstock, wo ich jede Ecke kenne, noch sehr verbunden. Naja, eigentlich finde ich mich an jedem Ort gut zurecht. Ich habe durch die Zeit draußen einen guten Orientierungssinn und kann mir überall etwas zu essen organisieren. Eine Zeitlang habe ich mich auch mal auf einem Dorf bei Bergheim heimisch gefühlt, zurzeit schätze ich das Angebot in der Großstadt – mit Suppenküchen, Hilfs - angeboten und der Möglichkeit, diese Touren zu machen. KLAAF: Habt ihr denn das Gefühl, dass die Menschen viel mitnehmen auf den Führungen und dadurch einen neuen Blick auf die Stadt bekommen? Asja Bölke: Unbedingt. Ich gehe ja ganz bewusst auch mal in Hinterhöfe und scheue auch keine vermeintlich schmuddeligen Ecken. Oft ist es nämlich so, dass man genau hinschauen muss, wenn man etwas Besonderes entdecken möchte. Warum beispielsweise haben die Siedlungsbauten aus den 20er Jahren oft so kleine, komische Balkons, die viel zu eng sind, um Wäsche aufzuhängen oder draußen einen Tisch hinzustellen? Wenn man weiß, dass die Leute damals 5–10 Kinder hatten und auf engstem Raum lebten, versteht man auch, dass man einen Platz brauchte, um die Babys „zu lüften“. Die Säuglingssterblichkeit war sehr hoch und so wollte man dem entgegenwirken. Es ist immer toll, wenn man so einen Aha-Moment in der Gruppe erzeugen kann. Vieles erfährt man auch, wenn man mit alten Menschen spricht, die in den Veedeln aufgewachsen sind. Und da gibt es eine Menge Geheimnisse, über die man nicht gerne spricht. Die sind aber gerade interessant. Wenn die Leute mal nicht mehr leben, gerät ein ganzes Stück Kölner Geschichte in Vergessenheit. Lothar Schmieding: Das wusste ich auch noch nicht. Ich bin auch sehr interessiert an Geschichte und lese viel. Aber für meine Touren ist historisches Wissen nicht so wichtig, das können andere besser vermitteln. Wir bleiben dann eben nicht – wie viele andere Gruppen – am Dom stehen oder am Römischen Nordtor, sondern an der Jugendherberge in der Allerheiligenstraße. Die nämlich hat der Verein Helping Hands während der Corona-Pandemie mithilfe von Spendengeldern angemietet und somit 40 Einzelzimmer für Obdachlose ermöglicht, die – ja oft lungenkrank und dadurch Risikogruppe – sich besonders schützen konnten vor dem Virus. Ich selbst konnte dort überwintern, wofür ich sehr dankbar bin. Deshalb ist es auch eine wichtige Station auf der Tour. KLAAF: Habt ihr denn einen Lieblingsort in Köln? Also einen Ort, den ihr auch gerne den Menschen zeigen wollt? Asja Bölke: Also, ich freue mich immer, wenn ich wenigstens eine Sache erzählen kann, die vorher noch niemand kannte. Gerade gebürtige Kölner*innen führe ich dann gerne mal auf neue Pfade, die sie noch nie betreten haben. Wenn Asja Bölke im Austausch mit Lothar Schmieding. Beide Seiten nahmen viel aus dem Gespräch mit. man von der Elsaßstraße über die Hinterhöfe abbiegt, kommt man an einen vielen unbekannten Ort, wo sich viele Geschichten abgespielt haben, die ich dann erzähle. Ich gehe auch gerne in die kleine Siedlung rechts neben dem Südfriedhof, sie hat, obwohl aus den 1920ern, ein wunderbar mittelalterliches Flair, wie man es heute in Köln gar nicht mehr kennt. Lothar Schmieding: Einer meiner Lieblingsorte ist tatsächlich die Obdachlosenkirche Gubbio in der Ulrichgasse. Die erwähne ich auf jeder Führung, weil ich dort eben viel Zeit verbringe. Natürlich gehen wir nicht ins Gebäude rein, weil es ein geschützter Raum bleiben soll. Überhaupt achten wir da rauf, dass die Führung nicht voyeuristisch wird und man keine Menschen vorführt. Auch interessant ist immer der Hinweis auf „verhindernde“ Architektur, also Sitzbänke, die mittig geteilt sind, um zu vermeiden, dass man sich dort hinlegt. Oder spitze Gegenstände auf Flächen, die sich eigentlich zum Verweilen eignen würden. Es ist nicht gerne gesehen, dass sich Obdachlose im Stadtbild aufhalten, möchte man meinen. KLAAF: Interessant. Was könnt ihr denn speziell denjenigen empfehlen, die im Sommer nicht wegfahren wollen oder können? Wie kann man eure Touren buchen? Asja Bölke: Alleine für „Urlaub in Köln“ biete ich 11 ganz unterschiedliche Touren an, die uns an kriminelle Schauplätze führen oder mit dem Schiff auf den Rhein. Wir besuchen die Goldene Kammer, steigen auf Türme und sehen Köln auch mal aus ungewöhnlicher Perspektive. Wir entdecken Orte, die man sonst nicht so leicht besichtigen kann, wie den Feuerwehrturm in Lindenthal. Dazu kommen noch zahlreiche Angebote, die von anderen Stadtführer*innen übernommen werden, die ihre Sache wieder ganz anders, aber ebenso gut machen. Für alle, die nicht in Urlaub fahren, ist das das perfekte Sommerprogramm, finde ich. Lothar Schmieding: Ich traue mich da gar nicht, so viel Werbung zu machen, denn wir sind tatsächlich schon ganz gut gebucht und können das ja auch nur begrenzt anbieten. 8 KLAAF KÖLNER KÖPFE
KÖLNER KÖPFE Momentan werden die Touren von der Einrichtung OASE – Benedikt labre e. V. organisiert, die die Sozialen Stadtrundgänge gemeinsam mit dem Stadterzähler Martin Stankowski vor vielen Jahren ins Leben gerufen hat und die sich seit mehr als 30 Jahren für Obdachlose einsetzt. Grundsätzlich nehmen wir zurzeit nur ganze Gruppen mit 10–15 Personen an. Die Touren dauern dann so ca. zwei Stunden. Aber bitte nicht ärgern, wenn es manchmal keine Termine gibt oder man die Führungen mit viel Vorlauf buchen muss. KLAAF: Es gibt inzwischen ein weltweites Netzwerk aller Städte, die diese Sozialen Stadtrundgänge anbieten. Also, doch mal raus aus Köln? Lothar Schmieding: Ja, das ist eine tolle Sache. Ich konnte mich letztens erst auf Einladung des „International Network of Social Tours“ in Basel mit Gleichgesinnten austauschen, die dasselbe wie wir hier in Köln machen. Tatsächlich kann man solche Sozialen Rundgänge in vielen Städten buchen und dabei viel über die Projekte vor Ort oder die Situation von Obdachlosen lernen. Und natürlich auch, wie man besser helfen kann. KLAAF: Was muss denn ein guter Tourguide können? Also was braucht ein Stadtführer/eine Stadtführerin, um die Menschen zu begeistern – außer vielleicht einer lauten Stimme? Lothar Schmieding: Gute Geschichten? Und die Gabe, auf alle zu achten. Das ist nicht einfach, wenn man eine große Gruppe dabeihat. Ich lerne da auch noch dazu. Asja Bölke: Ja, das kann ich bestätigen. Als in der Coronazeit alle Masken trugen, war es unglaublich schwer, die Reaktionen an den Gesichtern abzulesen. Jetzt aber sieht man ja wieder, wenn jemand interessiert oder erfreut schaut, gelangweilt oder abgelenkt ist. Darauf muss man dann auch eingehen. Und eine bestimmte Ausstrahlung ist auch nicht schlecht, die bewirkt, dass einem alle an den Lippen hängen Urlaub in Köln und immer mehr hören wollen. KLAAF: Ich jedenfalls könnte das noch stundenlang tun. Herzlichen Dank für das Gespräch. Mehr Infos zu den Touren: https://www.oase-koeln.de/unsere-arbeit/ stadtrundgaenge https://urlaubinkoeln.de Anmeldung für die Kölsch-Seminare OASE - Stadtführungen Asja Bölke, Kunsthistorikerin, 1972 in Bremen geboren und in Hannover aufgewachsen, wohnt im Severinsviertel und ist Ara und die Kölschbande - 1. Landung en Kölle seit vielen Jahren als Stadtführerin in den unterschiedlichsten Ecken von Köln unterwegs. Wenn sie nicht gerade in Köln führt, und das tut sie viel, ist sie auch mal auf den Gewässern Europas unterwegs. Lothar Schmieding ist gelernter Bauingenieur und hat sich vor einigen Jahren gegen das bürgerliche Leben entschieden. Der 61-jährige liest gerne und macht ein Mal im Jahr eine größere Reise – zu Fuß versteht sich. KÖLNER KÖPFE KLAAF 9
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