GEDENKTAFELN IN KÖLN Ein Ort mit einer interessanten Geschichte Die neuesten Modetrends bestimmen das Bild in den großen Schaufenstern des Hauses Schildergasse 96. Kaum zu glauben, dass an dieser Stelle der erste öffentliche evangelische Gottesdienst stattgefunden hat. Denn dieser Ort hat eine weitaus abwechslungsreichere Geschichte, als das heutige von Oberflächlichkeit und Schnelllebigkeit geprägte Erscheinungsbild vermuten lässt. Foto: Ingeborg Nitt Die Tafel zeigt einen Teil des prachtvoll gestalteten Festsaales Die Schildergasse ist römischen Ursprungs, bekannt als „decumanus maximus“. Ihren heutigen Namen hat sie von den im Mittelalter hier ansässigen Schilder- und Wappenmalern. Auch ein Brauhaus ist zu dieser Zeit bereits nachgewiesen. Der erste Beleg für eine Bebauung der Schildergasse Nr. 96 findet sich in den Schreinsbüchern des 14. Jhs. Das „Haus Mirweiler“, das wohl ursprünglich Constantin von Lyskirchen zu Mirweiler gehört hatte, befand sich im Besitz der Patrizierfamilie von Spiegel. Schließlich erwarb es die Familie Luyninck, die es 1494 an die Brauerzunft verkaufte. Diese war zu dieser Zeit so angewachsen, dass sie ein geräumigeres Zunfthaus benötigte. Wie Schreinsbücher und Zunfturkunden beweisen, dauerte es einige Jahre, den gesamten Besitz anzukaufen. Denn das große Grundstück reichte damals von der Schildergasse bis zur Streitzeuggasse. Über das Haus selbst ist nichts bekannt, aber ein Ereignis beweist die Gastfreundschaft der Brauerzunft. 1505 fand zum ersten Mal in Köln ein Reichstag statt, an dem natürlich auch König Maximilian I. teilnahm. Am Vorabend des Johannistages war er bei Bürgermeister Johann van Berchem zu einem großen Bankett eingeladen, wurde aber unterwegs vom Regen überrascht, und zwar auf der Schildergasse auf Höhe des Brauerzunfthauses. Als er sich dort unterstellen wollte, baten ihn die Mitglieder hinein – und er blieb! 1612/13 errichtete die Brauerzunft einen großzügigen Neubau in zwei Teilen. An der Schildergasse lag das Vorderhaus für den Gaffelboten, im hinteren Bereich des Grundstücks ent - stand das zweischiffige Zunfthaus, das mit Treppengiebeln und einem Treppenturm geschmückt war. Mittelpunkt des neuen Gebäudes war der Festsaal, der die gesamte erste Etage einnahm. Er war ca. 225 m² groß und prachtvoll ausgestattet, z. B. mit einer Stuckbalkendecke, einem Kamin so - wie diversen Gemälden. Von der gesamten Ausstattung des Zunfthauses ist nur wenig erhalten geblieben, entweder in den städtischen Museen oder in Privatbesitz. Von der Waffensammlung ist gerade mal ein Bidenhänder, ein Zweihandschwert, übrig. Er befindet sich im Londoner Tower. 1794 beschlagnahmten die französischen Besatzer das Haus, das sich in einem schlechten Zustand befand, für ihre Truppen, nachdem es zuvor schon von Reichstruppen belegt worden war. 1802 erhielten die evangelischen Gemeinden von den französischen Besatzern die Erlaubnis, im Festsaal des Brauerzunfthauses ihre Gottesdienste abzuhalten. 1809 mach te Napoleon das Gebäude der Stadt Köln zum Geschenk, die den Keller als Weinkeller verpachtete und die oberen Stockwerke hauptsächlich zur Unterbringung von Schulen nutzte. Ab 1843 fand der ein Jahr zuvor gegründete Kölner Männer-Gesang-Verein hier eine Unterkunft. Im großen Festsaal probte und konzertierte er, das erste öffentliche Konzert fand bereits am 16. Februar 1843 zugunsten der Kölner Armenschulen statt. Knapp zwanzig Jahre später kaufte die Firma Ernst Leybold das Zunfthaus, um es als Lager nutzen. Giebel und Treppenturm wurden entfernt und durch ein einfacheres Dach ersetzt. Die Balkendecke des Festsaales wurde 1880 20 KLAAF STADTGESCHICHTE
GEDENKTAFELN IN KÖLN bei einem Dachbrand in Mitleidenschaft gezogen. 1928 kam das endgültige Aus. Das Haus wurde an die Kaufhauskette „Ehape“ verkauft, die das Gebäude abriss, um ein modernes Warenhaus zu errichten. Gottesdienst im Brauerzunfthaus Der 23. Mai 1802 war ein entscheidender Tag in der Geschichte der evangelischen Gemeinde Kölns. An „Rogate“, dem fünften Sonntag nach Ostern, konnte sie ihren ersten öffentlichen Gottesdienst feiern. Möglich gemacht hatten dies die französischen Besatzer, die allen Bürgern, selbst denen im katholischen Köln, das Recht auf Religionsfreiheit ge währten und auch durchsetzten. Dies war bis dahin stets am Widerstand der Kölner gescheitert, die z. B. im 16. Jh. die reformatorischen Ambitionen zweier Kölner Erzbischöfe erfolg reich bekämpften. In der Reichsstadt Köln war die politisch-rechtliche Stellung der Protestanten nicht gleichberechtigt, sie waren Beisassen, keine Bürger. Auch ihre wirtschaftlichen Aktivitäten waren stark eingeschränkt. So durften sie im Stadtgebiet keine Grundstücke und Häuser besitzen und waren von den Zünften ausgeschlossen, bei denen die Zugehörigkeit zur katholischen Kirche Voraussetzung war. Außerdem durften sie ihre Religion nicht öffentlich ausüben. Dies war bis zum Ende der Reichsstadtzeit einzig den Katholiken gestattet. Andersgläubige wurden geduldet, solange sie sich unauffällig verhielten. Daher mussten die evangelischen Gemeinden ihre Gottesdienste heimlich feiern oder in die damaligen Nachbarstädte wie Mülheim ausweichen. Nicht einmal ihre Toten durften sie auf Kölner Stadtgebiet beerdigen. Ihr ältester Friedhof, der Geusenfriedhof, lag außerhalb der damaligen Stadtgrenzen. Noch in der zweiten Hälfte des 18. Jh. scheiterte der Versuch Kaiser Josephs II. (1741–1790), ein Vertreter des aufgeklärten Absolutismus, den Protestanten ein eigenes Bet-, Schul- und Predigerhaus zu genehmigen, am Widerstand der Kölner Katholiken. Erst 1797 kam die Wende, als die Franzosen ihnen das volle Bürgerrecht gewährten. Im April 1802 erhielten sie das Recht auf freie Kultusausübung. Als Gotteshaus wurde ihnen die ehemals katholische Antoniterkirche zugesprochen, die jedoch saniert und den Anforderungen der Protestanten entsprechend umgebaut werden musste. Dies dauerte drei Jahre, so dass die evangelische Gemeinde erst am 19. Mai 1805 ihren ersten Gottesdienst in der eigenen Kirche feiern konnte. 1860 wurde der erste evangelische Kirchenneubau eingeweiht, die Trinitatiskirche in der Nähe des Heumarkts, der „evangelische Dom“. Die Christuskirche am Stadtgarten in der Nähe des Mediaparks war der zweite Neubau. 2002 ließ der Evangelische Stadtkirchenverband Köln vor dem Grundstück des ehemaligen Brauerzunfthauses eine große Bronzetafel in den Boden einlassen, die an den ersten öffentlichen evangelischen Gottesdienst in der Stadt Köln erinnerte, den Lutheraner und Reformierte gemeinsam feierten. Anschließend wechselten sich lutherische und reformierte Pfarrer ab. Auf die Brauerzunft verweist der Kölner Bierbrunnen von Harald Frehen, der 1972 ganz in der Nähe installiert wurde. Ingeborg Nitt Nach einer ausgesetzten Runde schmeckt‘s am besten! Bei frisch gezapftem FRÜH Kölsch und leckeren Brauhausgerichten können Sie hier in familiärer Atmosphäre den Abend genießen. Und für die Mittagspause servieren wir gerne unsere alkoholfreie Fassbrause FRÜH Sport. FRÜH „Em Jan von Werth“, Christophstraße 44, 50670 Köln Tel. 0221/133513, janvonwerth@frueh.de, www.jan-von-werth.com STADTGESCHICHTE KLAAF 21
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