GEDENKTAFELN IN KÖLN Nicht nur »de zwei Päädsköpp«! Kol Nidrei, ein auf hebräischen Melodien beruhendes Adagio für Cello und Orchester des protestantischen Komponisten Max Bruch, bildet eine zufällige Brücke zum jüdischen Rechtsanwalt Max Bodenheimer. Beide haben auf der Richmodstraße ihre Spuren hinterlassen. Foto: Willy Horsch – Wikimedia Common Der Cellist Robert Hausmann drängte Max Bruch, nach seinem erfolgreichen Violinkonzert g-moll auch ein Werk für Cello zu komponieren. 1880 entstand das gut zehnminütige Kol Nidrei op. 47. Das jüdische Gebet Kol Nidre, das am Vorabend des höchsten jüdischen Feiertages Jom Kippur gesungen wird, inspirierte Bruch. Beide Kompositionen werden bis heute aufgeführt, die übrigen Werke Bruchs, der als führender Musiker der Gründerzeit gilt, sind kaum noch bekannt, teilweise verschollen. Am 2. Oktober jährt sich der Todestag Max Bruchs zum 100. Mal. Gestorben und beerdigt ist er in Berlin, sein Leben hat er in verschiedenen Städten Deutschlands und Europas verbracht, geboren wurde er jedoch in Köln, im Richmodishaus am 6. Januar 1838. Hier verbrachte er seine Kindheit und Jugend, bis er mit zwanzig Jahren seine Heimatstadt verließ. Seinen ersten Musikunterricht erhielt er von seiner Mutter Wilhelmine, einer Sängerin und Gesangslehrerin. Max war neun, als er seine erste Komposition schrieb, ein Lied zum Geburtstag der Mutter. Als er elf war, wurden einige seiner Werke öffentlich aufgeführt. 1852 errang er das Stipendium der Frankfurter Mozart-Stiftung, das ihm u. a. ein Kompositionsstudium bei Ferdinand Hiller, dem Musikdirektor Tafel am Turm des Richmodishauses für Max Bruch der Stadt Köln, ermöglichte. Als 2013 das Archiv eines Frankfurter Chores gesichtet wurde, tauchte überraschend das Streichquartett c-moll auf, mit dem Bruch sich für dieses Stipendium beworben hatte. Ab 1865 übernahm er leitende Positionen im Musikwesen. Wesentliche Stationen seiner Karriere waren: Musikdirektor in Koblenz, Hofkapellmeister in Sondershausen, Leiter des Sternschen Gesangvereins in Berlin, Direktor der Philharmonic Society in Liverpool, Kapellmeister in Breslau sowie Professor für Komposition an der Berliner Akademie der Künste. 1881 heiratete er Clara Tuczek, mit der er vier Kinder hatte. Zwiespältiges Verhältnis zur Heimatstadt Einer seiner größten Wünsche ging jedoch nie in Erfüllung, nämlich eine Stelle in Köln oder zumindest im Rheinland zu erhalten. Vor allem hatte er gehofft, die Nachfolge Ferdinand Hillers antreten zu können. Das Kölner Komitee entschied sich jedoch für Franz Wüllner. Bruch stammte aus einem protestantischen Elternhaus, sein Großvater Dr. Christian Gottlieb Bruch war der erste lutherische Pfarrer Kölns. So war es selbstverständlich, dass er zur Einweihung der Kölner Trinitatiskirche 1860 eine Kantate „Machet die Thore weit“ beisteuerte. Er schrieb jedoch auch eine Messe für das katholische Hochamt, beeindruckt von den musikalischen Darbietungen im Dom. Außerdem hatte er eine besondere Vorliebe für den Dreikönigstag, an dem er geboren wurde. Er verfolgte stets die Feiern anlässlich des Tages der Stadtpatrone, komponierte den „Gesang der Heiligen Drei Könige“ und nannte sich selbst hin und wieder den „4. unheiligen König“. Trotzdem blieb sein Verhältnis zu seiner Vaterstadt, dem „ahle Kölle“, zwiespältig. Umgekehrt hielt sich Köln mit Ehrungen, die er europaweit zahlreich erhielt, zurück: eine Straße in Lindenthal wurde nach ihm benannt, am Ratsturm ist er mit einer Figur von Olaf Höhnen verewigt und diese Tafel schmückt den Turm seines Geburtshauses. 20 KLAAF STADTGESCHICHTE
GEDENKTAFELN IN KÖLN » Rette dein Volk, dass es nicht sterbe!« Ein Stück hinter dem Richmodishaus fällt eine große Bodengedenkplatte ins Auge, die von einem Davidstern dominiert wird. Sie ist Max Isidor Bodenheimer gewidmet, einem der Begründer des deutschen Zionismus. Geboren wurde er am 12. März 1865 in Stuttgart. Nach einem Jura studium kam er 1890 nach Köln und gründete hier 1893 eine Anwaltskanzlei. Drei Jahre später heiratete er Rosa Dalberg, mit der er drei Kinder hatte. Nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten emigrierte er 1933 zunächst nach Amsterdam, dann nach Jerusalem, wo er am 20. Juli 1940 starb. Bereits in jungen Jahren schloss er sich der zionistischen Bewegung an, die sich für die Gründung eines jüdischen Staates einsetzte, und wurde schnell zu einem führenden Vertreter in Deutschland. International knüpfte er Kontakt zu Theodor Herzl, den er 1897 in Basel auf dem ersten Zionistischen Weltkongress persönlich kennenlernte. Beide reisten 1898 gemeinsam nach Konstantinopel und Jerusalem, um die Gründung des Staates Israel voranzutreiben. In den folgenden rund 20 Jahren engagierte Bodenheimer sich weltweit für die jüdischen Belange und bekleidete führende Positionen in diversen zionistischen Organisationen. Warum liegt diese Gedenkplatte ausgerechnet vor dem Haus Richmodstraße 6? Hier befand sich ab 1899 die Privatwohnung der Bodenheimers und die Geschäftsstelle der National-Jüdischen Vereinigung Köln, später Zionistische Ver - Bodengedenkplatte für Max Bodenheimer einigung für Deutschland genannt, deren Präsident Bodenheimer bis 1910 war. Er hatte diese Organisation mit dem Kölner Kaufmann David Wolffsohn 1894 gegründet. Ihre „Kölner Thesen“ beeinflussten wesentlich das Programm der Zionistischen Weltorganisation, die zeitweilig ebenfalls hier ansässig war zusammen mit dem Zionistischen Zentralbüro und dem Jüdischen Nationalfonds. Herzl bezeichnete Köln sogar als die „Hauptstadt des Zionismus“. Bodenheimer erinnerte sich später, dass das Interesse am Zionismus ihn wie eine „plötzliche Eingebung“ traf. Dieses Erlebnis hielt er in dem Gedicht „Vision“ fest, aus dem ein Zitat auf der Gedenkplatte wiedergegeben ist. Ingeborg Nitt Foto: Ingeborg Nitt LVR-Dezernat Kultur und Landschaftliche Kulturpflege RAUS INS MUSEUM! Die LVR-Museen haben wieder für euch geöffnet. Aktuelle Infos findet ihr hier: www.kultur.lvr.de Anzeige_210x101mm_Kaenguru_final.indd 1 17.06.20 15:52 STADTGESCHICHTE KLAAF 21
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