DE KÖLSCHE KÖCH Die Rubrik „Kölsche Köch“ stellt in jeder Ausgabe ein Rezept aus der historischen kölnischen Küche vor und beschreibt Hintergründe oder Besonderheiten der eingesetzten Produkte. Fotos: iStock, donstock + Irina Vodneva Kalvfleisch französch Im Laufe des Mittelalters bildeten sich die Kölner Bauerbänke, die bis in das 19. Jahrhundert hinein Landwirtschaft betrieben. Sie allein waren jedoch nicht in der Lage, die Versorgung der Stadt mit Lebensmitteln zu sichern. Statt der damals üblichen Selbstversorgung organisierte sich die Stadt Köln im Früh- und Hochmittelalter zu einer städtischen Markt- und Verkehrswirtschaft mit bürgerlichen Freiheiten. Schon sehr früh entstanden Marktplätze für den Vieh handel, städtische Schlachthäuser, Fleischhallen und Fleisch bän ke für die Fleischversorgung. Der Viehhandel und die Fleisch - v ersorgung wurden durch die Verwaltung regle men tiert. Wie eine Urkunde aus dem Jahre 1076 zeigt, diente der Neumarkt aufgrund seiner Lage dem Landhandel und vor allem als Viehmarkt. Mit dem Anwachsen der Bevölkerung und dem Rückgang der Selbstversorgung änderten sich die Bezugsquellen für Fleisch. Zusätzlich zu den Produkten der benachbarten Höfe gelangten immer mehr Erträge aus den Verpachtungen des auswärtigen Grundbesitzes auf den Kölner Markt. Die vielen geistlichen Einrichtungen und Klosterhöfe waren Sammelstellen umfangreicher Naturallieferungen. Hinzu kam das Stapelrecht, das neben vielen anderen Gütern auch für lebendes Vieh galt. Häufig wurden ganze Herden aus dem Münsterland, Norddeutschland (namentlich Oldenburg) und den Niederlanden nach Köln getrieben und gegen Waren wie Wein, Tuch und Gewürze eingetauscht. Wie wichtig Rinder für die Ernährung der Kölner waren, zeigt eine Statistik aus dem Jahre 1825. Demnach betrug der jährliche Verbrauch 16.400 Kälber und 2.480 Ochsen, während Schafe und Ziegen mit zusammen 9.500 und Schweine mit nur 7.300 zu Buche schlugen 1 . So zeigt diese Statistik, dass früher überwiegend Kalbfleisch gegessen wurde, sehr viel mehr verglichen mit heute. Wie Kalbfleisch auf französische Art zubereitet wurde, möchte ich Ihnen mit dem folgenden Rezept gerne vorstellen: 1 Elkendorf: „Köln um 1825“, hrsg. v. Barbara Becker-Jákli 1999, S. 89 22 KLAAF KÖLSCHE KÖCH
DE KÖLSCHE KÖCH Zutatenliste 4 Kalbsschnitzel 100 g luftgetrockneter Schinken oder Speck 50 g Butter 40 g Mehl 1 gewürfelte Zwiebel 1/2 l Fleischbrühe Pfeffer, Salz, 1 Gewürznelke 6 Pfefferkörner geriebene Muskatnuss 1 Lorbeerblatt, 3 Pimentkörner Essig, 1 EL Kapern 2 Sardellenfilets 1/4 l saure Sahne ggf. etwas Zitronensaft ZUBEREITUNG: Die Schnitzel in handtellergroße Stücke schneiden, klopfen, auf jedes Teil ein Stück Schinken legen und mit einem Zahn stocher befestigen. 30 g Mehl mit Pfeffer und Salz mischen, die Fleischstücke darin wenden, abklopfen. Die Butter in einem Bräter erhitzen und das Fleisch von beiden Seiten kurz anbräunen, herausheben und warm stellen. Im verbliebenen Fett die Zwiebel andünsten, Pfefferkörner, Gewürznelke, Lorbee rblatt und Pimentkörner zugeben und mit der Fleischbrühe ablöschen. Diese Sauce etwa 30 Minuten sachte köcheln lassen, dann durch ein Sieb abgießen. Erneut erhitzen und mit einem Spritzer Essig, geriebener Muskatnuss, Pfeffer und Salz würzen. Die Sardellenfilets fein hacken und mit den Kapern in die Sauce geben. Das verbliebene Mehl mit der sauren Sah ne verquirlen und löffelweise in die köchelnde Sauce einrühren. Die Sauce ab schmecken und gegebenenfalls mit etwas Zitronensaft nachwürzen. Das Fleisch einlegen und in wenigen Minuten heiß werden lassen. Das Fleisch auf Tel - lern anrichten, mit etwas Sauce übergießen und dazu Klöße, Salzkartoffeln oder Püree reichen. KLEINES KÖLSCHE-KÖCH-LEXIKON afdun, afdoin: schlachten. Das eigentliche alte volkssprachliche Wort für das Schlachten des Viehs. Es wurde noch bis ins 19. Jahrhundert hinein gebraucht. schlaachte: Neuere Bezeich nung für das Schlachten des Viehs. Kapern: Kapern. Blütenknospen der Kapernsträucher, die vor allem im Mittel - meerraum wachsen. Nach der Ernte wer - den sie einen Tag lang in der Sonne getrocknet, dann in Gläser mit gesalzenem Weinessig, Salzlake oder Olivenöl eingelegt. Schlaachtes, Schlaachhoff: Schlachthof. In Köln wurde das erste Schlachthaus bereits um 1350 errichtet. Das Schlachten außerhalb des städtischen Schlacht - ESCALOPES DE VEAU hauses wurde durch den Rat der Stadt verboten, um die Gesundheit der Tiere und die verschiedenen Vorschriften über das Zerlegen des Fleisches, den Verkauf und die Erhebung der Gebühren besser überwachen zu können. Vehmaat: Viehmarkt. Da die Stadt Köln schon im Mittelalter von der Selbstversorgung zum Handel mit den benötigten Lebensmitteln überging, war die Ein rich tung verschiedener Marktplätze not wendig. Der Markt für die land wirt - schaftlichen Produkte und den Viehhandel war für viele Jahrhunderte am Neumarkt angesiedelt. Das Vieh brauchte so nicht durch die Stadt bis zum Alter Markt oder Heumarkt getrie ben werden. Thomas Coenen Diese Kalbsschnittchen mag die Kölner Köchin als Vorbild für ihr Gericht genommen haben. Die dazugehörige Sauce mit all ihren Gewürzen entspricht dann doch eher einer heimischen Küche, die zeigt, was sie hat. Dabei ist es Tradition, diese, wie Eintopfgerichte zuberei teten Fleischspeisen, die häufig Kalbfleisch, -bries, -zunge oder -hirn verwendeten, mit französischen Namen zu bezeichnen. Angelehnt an das Rezept aus dem Kochbuch der „Cölner Köchinn“ von 1806 würde das vorgestellte Gericht heute vermutlich eher als „Würzfleisch“ den Gästen angeboten. Das Fleisch der Kälber ist im Gegensatz zu Rind- und Ochsenfleisch weniger nahrhaft, dafür aber zarter und leicht verdaulich. Nahezu alle Teile sind für die menschliche Ernährung verwendbar. Im Alter von sechs Wochen erhalten die Tiere ein saftiges und kräftiges Fleisch, jüngere Kälber sind hingegen nicht geeignet. Auch sollte ein Schlacht - kalb nicht älter als drei Monate sein. Die besten Stücke des Schlachtfleisches sind Keule, Nuss, Fricandeau, Nierenstück und Rippen. Als Delikatessen gelten der Kopf, die Nieren, die Leber und das Kalbsbries, früher eher unter der Bezeichnung Kalbsmilch bekannt. Die im Rezept verwendeten Kalbsschnitzel werden üblicherweise aus der Keule geschnitten. Vor der Zubereitung werden sie mit einem Fleischklopfer geklopft, was die Fleischstücke größer werden lässt, hauptsächlich aber, um das Fleisch mürbe zu machen. Verschiedene Gewürze waren in Köln schon seit der Römerzeit bekannt. Zu Beginn des Mittelalters verschwanden sie jedoch wieder und erst mit den Kreuzzügen ab etwa 1000 n. Chr. wurden sie erneut ent - deckt. Der aufblühende Handel sorgte für eine beständige Verfügbarkeit in den Handelsmetropolen, wie auch Köln es in früheren Zeiten über viele Jahrhunderte hinweg war. Fotos: iStock, Savushkin + robynmac KÖLSCHE KÖCH KLAAF 23
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