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KLAAF 06/24

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KLAAF ist das kölsche Magazin – ein Muss für alle Begeisterten der kölschen Sprache und des Brauchtums. Neben den Angeboten der Akademie berichtet das Magazin über spannende Kölner Persönlichkeiten, interessante Veranstaltungen, Geschichten aus der Kölner Geschichte, kölsche Rezepte, Mundarttheater und mehr.

IM GESPRÄCH MIT ...

IM GESPRÄCH MIT ... KLAAF: Warum sind diese Beschriftungen so wichtig? Wolfgang Niedecken: Da war zum Beispiel ein Foto von drei Straßenbahnschaffnerinnen, darunter meine Großmutter, die noch in der Pferdebahn fuhr. Gut, dass ich gefragt habe, wer von den drei Damen meine Oma ist. Sie war natürlich die Schönste. Es ist gut, früh nach den Namen und Orten zu fragen. Sonst kann einem später niemand mehr sagen, wer auf den Fotos abgebildet ist. Wolfgang Niedecken und Eusebius Wirdeier im Gespräch über die Südstadt und ihre Liebe zu Köln Wolfgang Niedecken: Ich war ziemlich überrascht, was die Fotos der Severinstraße bei mir auslösten, besonders die vom Laden meiner Eltern, von unserem Opel P4, der damals schon ein Oldtimer war. Eusebius legte mir Fotos vor, die sich für mich unmittelbar in bewegte Bilder umwandelten. Namen der Abgebildeten kamen hoch, Erzählungen, die sich um diese rankten. KLAAF: Wolfgang, während der Präsentation des Buchs in der Severinstorburg am Chlodwigplatz hast du die Geschichte des Markthändlers Klemens vorgestellt, der seinen mobilen Stand genau gegenüber vom Laden deiner Eltern hatte. Wolfgang Niedecken: Das waren Herr und Frau Klemens mit ihrem aufklappbaren Marktstand mit Kurzwaren und Drogerieprodukten. Als Kinder haben wir gern seinen Wagen, den er einige Meter entfernt von der Torburg an eine Laterne gebunden hatte, als Schaukel benutzt. Ich höre heute noch seine erzürnte Stimme „Loht die Kahr enn Rauh, ...“. Eusebius Wirdeier: Dann kamen noch mehr Fotos, die bei dir Emotionen auslösten, zum Beispiel von den Menschen, die durch die Severinstraße flanierten und die Fotos vom Severinswall und von der Landbergstraße. Die Südstadt ist noch weitgehend Brache und überwachsen. Im Vordergrund steht eine Gruppe Männer, die Chargesheimer kritisch ansieht. Er hatte eine sehr überzeugende Weise, mit Menschen umzugehen, mit ihnen zu reden und sie dann aufzunehmen. KLAAF: Und dann hast du, Wolfgang, deine berühmte Rama- Kiste herausgeholt? Wolfgang Niedecken: Die Rama-Kiste steht bei uns in der Familie für die Fotos, die wir haben. Bei uns wissen alle, dass bei mir die Familienfotos gut aufgehoben sind. Ich muss ja sammeln, damit ich mit dem Material arbeiten kann. So sind viele Aufnahmen, auch von verstorbenen Familienmitgliedern zusammengekommen. Ein Teil davon ist in der Rama-Kiste, ein Teil in den Fotobüchern meiner Eltern, in die mein Vater selbst verfasste Gedichte geschrieben hat und in denen die Fotos beschriftet sind. Eusebius Wirdeier: Wichtig ist, dass man sich die Fotos im Original anschaut. Auf der Rückseite sind zumeist Stempel. So kann man den Fotografen und das Jahr feststellen und manchmal schreiben die Familien auch die Namen auf. All das ist ja nicht nur Familiengeschichte, sondern lebendige Geschichte unserer Stadt. KLAAF: Haben die Songtexte und die kölsche Sprache nicht auch geholfen, sich an Namen und Geschichten zu erinnern? Wolfgang Niedecken: Manch eine Geschichte aus dem Buch habe ich als Material bereits in unseren Liedern verarbeitet. In dem Kapitel „Bewegte Bilder zwischen Severinstor und Severinskirchplatz“ schreibe ich, dass ich mich nur vage an das Jahr 1956, als Chargesheimer die Südstadt fotografiert hat, erinnern kann. „Es war das Jahr vor meiner Einschulung, der Sprachwissenschaftler Professor Adam Wrede veröffentlichte sein dreibändiges Werk „Neuer Kölnischer Sprachschatz“, in dem er unsere Muttersprache zu diesem Zeitpunkt wie in einem Bernsteintropfen einschloss. Die Autokennzeichen waren noch die der britischen Besatzungszone, also weiße Schriftzeichen in schwarzes Blech gestanzt.“ Meine älteren Söhne sind um die 40. Sie können kölsch sprechen. Meine Töchter können es grade noch verstehen. So verändert sich Köln. Eusebius und ich, wir könnten uns noch auf kölsch unterhalten, aber wir können es erfreulicherweise auch auf Hochdeutsch. KLAAF: Im Buch finden sich zudem Fotos von dir, Eusebius, die zum Teil die Motive von Chargesheimer wieder aufleben lassen, sowie ein umfangreiches Kapitel zur fotografischen Arbeit von ihm. Warum hast du diese Ecken nochmals fotografiert? Eusebius Wirdeier: Mit den Fotos und Texten wollten wir Geschichte und Gegenwart verbinden, die Aufnahmen von Chargesheimer und von Wolfgang mit der heutigen Zeit in Bezug bringen. So habe ich die Feier von der Erstkommunion in St. Severin von Chargesheimer in der heutigen Zeit nachempfunden oder auch die zwei Männer wie „Tünnes un Schäl“ in der Südstadt. KLAAF: Was wollt ihr mit dem Buch anregen? Wolfgang Niedecken: Wenn wir einige motivieren können, ihre eigene Rama-Kiste noch einmal in die Hand zu nehmen, sind wir schon ganz zufrieden. Eusebius Wirdeier: Und ich wünsche mir, dass die Chargesheimer-Fotos systematisch digitalisiert und erschlossen werden. KLAAF: Vielen Dank für das Gespräch! 8 KLAAF IM GESPRÄCH

IM GESPRÄCH MIT ... » CHLODWIGPLATZ« Ich sinn mich noch met dämm Damenrad un dä Nietebozz Ahn dä Thek vun dämm Büüdche om Chlodwigplatz. Op dä Litfaßsäul Marlon Brando met ‘nem Südseeschoss, Un dä Theo jitt Limo un Manna uss. Die Vringspooz, et „Roxy“, dä „Schuh Schön“ un dä „Hermanns Tünn“ Un jää‘növver dat Huus met dämm hillije Severin Un dämm Laade, wo ich opjewaaße benn. Un dann die Johre, de Eck erömm, ahm Ubierring, Wo dä Himmel voll Pinsel un Palette hing. All die Näächte met all dä Verröckte em „Chlodwig Eck“ Un die Wahnsinnszick enn dä Schokoladefabrik. ’92 em November wohr ich ziemlich platt, Weil janz Kölle kräät dä Arsch huh un kohm nohm Chlodwigplatz Un die Zäng ussenander, om Chlodwigplatz. He benn ich jeboore, he wohr ich zohuss, Enn dämm Aachhundertmeter-Radius. He kenn ich all Platane beim Name, jede Spatz, Jede Stein enn dä Muhr vun dä ahle Stadt. Minge Nabel der Welt blieht dä Chlodwigplatz. (Textauszug Song von BAP) Chargesheimer, alias Karl-Heinz Hargesheimer, Fotograf, wurde am 19. Mai 1924 in Köln geboren und ist zwischen den Tagen des Jahreswechsels 1971 und 1972 gestorben. Er studierte im und nach dem Zweiten Weltkrieg Grafik und Fotografie an den Kölner Werkschulen und an der Bayerischen Staatslehranstalt für Photographie. Chargesheimer verband einen kritischen Blick auf den Wiederaufbau Kölns mit klugen Menschenstudien in seiner Fotografie. Sein fotografischer Nachlass mit tausenden Negativen befindet sich im Rheinischen Bildarchiv. Wolfgang Niedecken, Musiker und Gründer von BAP, ist 1951 im Krankenhaus Klösterchen in der Kölner Südstadt geboren worden. Er ist in der Severinstraße 1 aufgewachsen, in dem Haus, in dem seine Eltern das Lebensmittelgeschäft Niedecken besaßen. Sein großer Bruder hat den Laden bis 1988 weitergeführt. Wolfgang Niedecken hat wie Chargesheimer an den Kölner Werkschulen studiert, Schwerpunkt Kunst. Zurzeit tourt er mit frühen Songs durch die Konzertsäle nicht nur in Köln. Eusebius Wirdeier, Herausgeber und Autor, wurde 1950 in Dormagen geboren. Als er zwei Monate alt war, zog seine Familie nach Köln- Weidenpesch. Er studierte ebenfalls an den Kölner Werkschulen. Sein fotografisches Werk dokumentiert Veränderungen in Köln, so die Geschichte der Schokoladenfabrik Stollwerck, den U-Bahnbau und Einsturz des Historischen Archivs von Köln. Mit „Fotogeschichten Sülz und Klettenberg“ hat er 2019 das erste Buch im Emons Verlag in der Reihe vorgelegt, in den auch die Südstadt-Geschichten gehören. Ein neuer Band zum Kölner Straßenfotografen Peter Schmitz ist in Arbeit. Hanka Meves-Fricke ist Autorin und Journalistin und lebt seit mehr als 30 Jahren in Köln. Von ihr ist 2024 der historische Roman „Die Komponistin von Köln“ und das Kinderbuch „Unser Köln“ erschienen. Eusebius Wirdeier (Hrsg.), Wolfgang Niedecken, Chargesheimer Fotogeschichten Kölner Südstadt Emons Verlag, Köln 2024, 240 Seiten, 49,95 ¤, ISBN: 978-3-7408-2008-4 IM GESPRÄCH KLAAF 9

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