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KLAAF 06/24

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KLAAF ist das kölsche Magazin – ein Muss für alle Begeisterten der kölschen Sprache und des Brauchtums. Neben den Angeboten der Akademie berichtet das Magazin über spannende Kölner Persönlichkeiten, interessante Veranstaltungen, Geschichten aus der Kölner Geschichte, kölsche Rezepte, Mundarttheater und mehr.

KÖLNER KÖPFE ©

KÖLNER KÖPFE © Chargesheimer: Unter Krahnenbäumen, Köln, 1958 © Museum Ludwig, Köln Vorbereitungen für die Prozession, fotografiert von Chargesheimer – im Hintergrund ist Hermann Claasen mit seiner Kamera zu sehen Kirmes unter Krahnenbäumen von Chargesheimer »... En Krahnebäume – et ess Chargesheimer zum 100. Geburtstag Willi Ostermann verewigte die Straße „Unter Krahnenbäumen“, kurz UKB, deren Name für ein ganzes Viertel stand, in einem seiner bekanntesten Lieder: „Kinddauf-Fess unger Krahnebäume“. Er beschreibt anschaulich das pralle Leben in dieser Gegend, die Lust am Feiern, die beim geringsten Anlass in eine wilde Schlägerei ausarten konnte, wobei die Menschen sich am Ende doch wieder vertrugen. Besonders bekannt war die Kirmes, der der Mitinitiator der Kumede Jakob Werner, genannt Neres, (1898–1962), ein Theaterstück gewidmet hat: „En al kölsche Kirmes unger Krahnenbäume“. Kirmes wurde oft in Verbindung mit einer Prozession gefeiert, so auch in UKB, das zur Pfarrei St. Kunibert gehörte. Die Straße und die Häuser wurden gereinigt und reich geschmückt, Hausaltäre wurden aufgebaut und religiöse Bilder und Symbole auf die Fensterbänke gestellt, die Menschen putzten sich selbst heraus, und es wurde für das leibliche Wohl gesorgt. Diese eigentümliche Mischung aus Frömmigkeit und überschäumender Feierlust hat der Fotograf Hermann Claasen (1899–1987) im Jahr 1950 festgehalten. Veröffentlicht wurde seine Sammlung posthum 1992 im Emons Verlag unter dem Titel „Kirmes UKB 1950“. Zur gleichen Zeit war ein weiterer bekannter Kölner Fotograf in dieser Gegend unterwegs, um Aufnahmen für einen Bildband zu machen, nämlich Chargesheimer. Carl Heinz Hargesheimer, wie er richtig hieß, (19.5.1924–31.12.1971 oder 1.1.1972) war auf vielfältige Weise künstlerisch tätig. Nachdem er an den Kölner Werkschulen studiert hatte, fotografierte er ab 1947 für diverse Bühnen in Köln, Hamburg, Hannover und Essen. Dann wandte er sich der experimentellen Fotografie zu und schuf Lichtgrafiken. Er war Redakteur und Dozent und ver öffentlichte mehrere Fotobände, deren Layout er mitgestaltete. Außerdem arbeitete er als Bühnenbildner und Theaterregisseur und konstruierte so genannte Lichtmaschinen und Meditationsmühlen. 1957 erschien der erste seiner berühmten Bildbände: „Cologne intime“. Ein Jahr später folgte ein weiterer Köln-Band „Unter Krahnenbäumen“, außerdem „Im Ruhrgebiet“. Bis 1970 erschienen die Werke „Romanik am Rhein“ und „Menschen am Rhein“, „Zwischenbilanz,“ „Des Spiegels Spiegel“, „Theater-Theater“, die Städtebücher „Berlin“, „Wuppertal“ und „Hannover“, sowie als letztes und wohl berühmtestes Buch „Köln 5 Uhr 30“, in dem er seine Stadt Köln zeigt, wie sie im Beton zu erstarren droht. Außerdem war er an einer größeren Zahl weiterer Fotobücher beteiligt, z. B. „Der Zoologische Garten zu Köln“ oder „Kölner Kirchen“. Genaue Untersuchungen der Kirmes-Fotos von Chargesheimer und Claasen ergaben, dass beide nicht nur im selben Jahr, sondern sogar am gleichen Tag ihre Aufnahmen gemacht haben. Denn es gibt Übereinstimmungen bei den Personen und Situationen. Beide Fotografen haben sich sogar gegenseitig auf’s Korn genommen, nachzusehen und zu lesen in Claasens Bildband. Während Claasen sich jedoch allein auf dieses Ereignis konzentrierte und Prozession und Kirmes dokumentierte, arbeitete Chargesheimer über einen länge- 10 KLAAF KÖLNER KÖPFE

KÖLNER KÖPFE © Chargesheimer: Kirmes Unter Krahnenbäumen, vor 1957 © Museum Ludwig, Köln MEHR INFO Das Straßenschild als Buchtitel Der Katalog zur Ausstellung von 1989 zeigt Chargesheimer mit einer Meditationsmühle zo nett.« ren Zeitraum in dieser Straße, um sie in all ihren Facetten festzuhalten. So schuf er eine Milieuschilderung, in deren Mittelpunkt die Menschen stehen. Gleich das erste Foto im Bildband, der 1958 im Greven Verlag erschien, zeigt dies: Im linken Bilddrittel blickt man die Straße „Unter Krahnenbäumen“ hinunter, Blickfang auf der rechten Seite sind jedoch zwei Mädchen, die über die Fahrbahn laufen. Das setzt sich auf den folgenden Seiten fort. Menschen jeden Alters werden in den verschiedensten Situationen gezeigt. Hier die alte Dame, die die Straße entlang geht, dort ein Mann, der mit seinem Schäferhund im Fenster liegt. Und immer wieder lachende und tanzende Menschen. „Vielleicht wird nur in Straßen, wie diese eine ist, richtig gelebt; heftig ist die Blüte der Frauen, Blumen im Haar, und der Troubadour hängt, wenn er zu Besuch kommt, seine Mandoline neben das Muttergottesbild, vor dem die rote Lampe brennt; heftig sind die Gefühle: Liebe und Hass, Mitleid und Härte, und man hat ein Gefühl für Unmenschlichkeit und für das Lächerliche: niemals ist die SA frohen Mutes durch solche Straßen marschiert.“ So beschreibt Heinrich Böll im Begleittext seinen Eindruck von „Straßen wie diese“. „Unter Krahnenbäumen“ waren zwei Kölner Originale zu Hause, deren Großfamilien zeitweise das Leben in dieser Straße bestimmten. Johann Joseph Palm, besser bekannt als Urgels-Palm, versuchte, seine Familie mit den 13 Kindern als Straßenmusiker mit Drehorgel zu ernähren. Einige seiner Nachkommen ließen sich ebenfalls in dieser Straße nieder, so dass sie von 1860 bis 1900 in Palmschen Händen war. Johann Joseph Palm, 1801 geboren, starb am 29.1.1882 im Haus Nr. 111. Die Volksschauspielerin Grete Fluss (1892–1964) lebte ebenfalls mit ihren 13 Geschwistern dort. Es heißt, dass Willi Ostermann sich durch den Kindersegen der Familie Fluss zu seinem Lied über „de Kinddauf“ anregen ließ. 1964 wurde das Ende dieser einzigartigen Straße eingeläutet, als die Stadt Köln ihre Pläne für eine „autogerechte Stadt“ in Angriff nahm. Die Nord-Süd-Fahrt zerschnitt über Jahrhunderte gewachsene Viertel und verwandelte die Straße „Unter Krahnenbäumen“ in ein Fotomotiv, dass leider nur zu gut in Chargesheimers letzten Bildband „Köln 5 Uhr 30“ passte. Wer sich intensiver mit diesem einzigartigen Kölner Fotografen, der auch noch hervorragend Kölsch sprach, befassen möchte, dem bieten sich mehrere Möglichkeiten: Das Museum Ludwig zeigt noch bis 10. November 2024 im Fotoraum die Ausstellung „Chargesheimer“. Eine Auswahl von rund fünfzig seiner Werke lädt zur eingehenden Betrachtung ein. Das Ferienprogramm „Urlaub in Köln“ der Akademie för uns kölsche Sproch/SK Stiftung Kultur bietet u. a. Fahrradtouren zu Chargesheimer und August Sander an. Wer sich in die Bildbände von Chargesheimer und anderen Kölner Fotografen vertiefen möchte, ist in der Bibliothek der Akademie för uns kölsche Sproch am richtigen Ort. Ingeborg Nitt KÖLNER KÖPFE KLAAF 11

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