KÖLNER KÖPFE Foto: Ralph Larmann aus eigener Kraft herausfinden und brauchen dringend Unterstützung. Die größte Herausforderung zu Beginn war, uns sichtbar zu machen. Mittlerweile haben wir schon viel erreichen können. Neben der rasanten Lobbyarbeit konnten wir unter anderem schaffen, zum ersten Mal in der November - hilfe größtenteils erfasst zu sein. Aber dabei soll es nicht ausschließlich bleiben. Wir haben noch viel vor uns. KLAAF: Mit einem Offenen Brief unter anderem an Monika Grütters (Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien), der von zahlreichen Prominenten wie Atze Schröder, Peter Maffay oder auch Kasalla, unterzeichnet wurde, habt ihr im Oktober eine große Aufmerksamkeit erreicht. Wie wichtig ist es für dich da mitzumischen, Caro? Alarmstufe Rot! Die Veranstaltungsbranche geht in Berlin auf die Straße. Sandra Beckmann: Das klingt vielleicht jetzt makaber, aber ich sehe das eher als Vorteil, dass ich vorletztes Jahr ge - sundheitlich sehr angeschlagen und somit bereits ziemlich entschleunigt war. Gerade als ich dabei war, wieder beruflich Fuß zu fassen, da kam Corona. Und so fehlten mir die finanziellen Rücklagen, die mich hätten auffangen können. Als alleinerziehende Mutter von drei Kindern hatte ich wenigstens vernünftigen Zugang zu Hartz IV. Und da ich schon immer so ein Mensch gewesen bin, der lieber einmal mehr aufsteht, als liegen zu bleiben, wenn er hingefallen ist, war mir klar, dass da was passieren muss. Und dass es eben nicht nur um mich geht, sondern um ganz viele. So ist die Initiative für die Veranstaltungswirtschaft im März entstanden und durch den Zusammenschluss der stärksten Initiativen der Krise schluss - endlich das Bündnis #AlarmstufeRot, welches immer mehr Zuspruch fand. KLAAF: Gerade am Anfang warst du sehr aktiv auf allen Social Media-Kanälen und hast Beiträge auf Facebook kommentiert und Stellung zur Situation in der Veranstaltungsbranche bezogen, wo es nur ging. Sandra Beckmann: Ja, ich habe schon Ende Februar 2020 prophezeit, dass diese Pandemie – wenn sich nichts Überraschendes ändert – die ganze Veranstaltungsbranche in die Insolvenzwelle treiben wird. Nur: Die Situation ist ja nicht von uns selbst verursacht worden. Wir sind quasi arbeitslos zum Schutze der Bevölkerung geworden, wenn man so will. Es handelt sich also nicht um ein unternehmerisches Risiko, das wir selbst verursacht haben. Wir können da also nicht Carolin Kebekus: Das ist selbstverständlich, weil wir ja alle im selben Boot sitzen. Deshalb waren mein Team und ich auch geschlossen im September auf der Demo von #AlarmstufeRot in Berlin, um darauf aufmerksam zu machen, dass es bei vielen von uns um die blanke Existenz geht. Denn es ist ja so: Ohne meine Crew kann ich gar nicht mit meinem Programm auftreten. Was nützt mir ein Auftritt vor 14.000 Menschen in der Lanxess Arena, wenn keiner das Licht be dient oder niemand meine Spezial-Bühne aufbaut? Diese Leute halten mir den Rücken frei, dass ich kreativ arbeiten kann. Sandra Beckmann: Das Verständnis in der Politik, dass es für die Veranstaltungswirtschaft bereits „5 nach 12“ ist, ist leider eher langsam gewachsen. Die gängige Meinung ist ja, dass die Kreativen so unglaublich kreativ mit der Krise umgegangen sind. Jetzt mal im Ernst: All diese guten Ideen sind aus Liebe zu unserem Beruf und wegen unserer gesellschaftlichen Relevanz passiert, doch sie sind in keinster Weise umsatzrelevant gewesen, da hat doch keiner etwas dran verdient. Im Gegenteil! Wir haben immer wieder draufzahlen müssen, wenn die nächsten Verordnungen kamen, die unsere wenigen und minimierten Veranstaltungen wieder beschränkt haben. Sowas muss aufgefangen werden und neues Vertrauen, auch bei unseren Kunden, geschaffen werden. An dieser Stelle nehmen wir die Regierung ganz klar mit in die Verantwortung. Zum Glück sind da erste Weichen gestellt. Wir brauchen ganz dringend einen Plan für die nächsten Jahre, dass uns die ganze Situation nicht wieder um die Ohren fliegt. KLAAF: Das Sterben der Kulturbranche hat meiner Meinung nach noch einen ganz anderen dramatischen Aspekt. Denn ob Theater, Comedy, Festival oder Konzert – dem Publikum gelingt es dabei auch mal, vom Alltag und seinen Sorgen abzuschalten. So wird für viele Menschen ein wichtiges Ventil geschaffen, das jetzt schmerzlich fehlt. Wie aber gewinnt man das Vertrauen des Publikums wieder zurück, das inzwischen verloren gegangen ist? 8 KLAAF KÖLNER KÖPFE
KÖLNER KÖPFE Sandra Beckmann: Ich sage immer, Menschen gehen gerne Maßnahmen mit, solange sie einheitlich und nachvollziehbar sind. Und das war zeitweise eben nicht mehr so. Die Irritationen haben zu teilweise unbegründeten Ängsten geführt. Es müssen also einheitliche Konzepte für Veranstaltungen her. Deshalb bin ich seit Monaten mit dem Wirtschafts-, aber auch dem Gesundheitsministerium im Landtag dabei, Ausschüsse zu bilden, die Perspektiven entwerfen, Hygienepläne durchdenken und Vorkehrungen treffen, so dass wir bald wieder spielen können. Und ja, wir müssen das zerstörte Vertrauen der Zuschauer*innen wieder aufbauen, dass sie auf Konzerten und im Theater sicher sind. Das wird keine leichte Aufgabe. Carolin Kebekus: Wir brauchen unser Publikum, das Publikum braucht uns aber auch. Davon bin ich überzeugt. Alleine schon deshalb, weil uns Kultur ja auch helfen kann, die Welt zu sortieren und besser einzuordnen. Ich jedenfalls empfinde das als wahnsinnig befreiend, durch einen Künstler auf der Bühne neue Sichtweisen erschlossen zu bekommen. Diese Orientierung fehlt vielen schon jetzt, scheint mir. Im Übrigen hat für mich, die ich mit der Stunksitzung groß geworden bin, auch immer der Karneval eine politische Dimension gehabt und etwas Regulierendes, das nun fehlt. KLAAF: Stimmt. Und du hast ja nicht nur einen eigenen Karnevalsverein mit deinen Freunden gegründet, sondern auch DEINE SITZUNG ins Leben gerufen. Normalerweise würdest du den ganzen Januar und Februar auf der Kölner Bühne stehen. Wie sehr fehlt dir das alles? Carolin Kebekus: Dass Karneval ausfallen musste, ist in dieser Situation vollkommen verständlich. Und ich war heilfroh, dass wir Kölner uns am 11. 11. nicht zu den Deppen der Nation gemacht haben und illegal in den Partykellern gefeiert haben. Ich selbst hatte zwar eine rote Pappnase auf, habe aber ganz normal im Studio gearbeitet. Als ich dann aber den neuen Song von Brings gehört habe, mein Gott, was habe ich dann doch geheult. Denn ich weiß wirklich nicht, wann man jemals wieder im rappelvollen Backes auf der Fensterbank stehen wird, bis die Fenster beschlagen und sich mit wildfremden Leuten in den Armen liegen und „En unserem Veedel“ hören wird, weil man gemeinsam eine Stadt aus Beton so geil findet. KLAAF: Nach der langen Durststrecke, die hinter uns liegt, würde ich zum Schluss unseres Gesprächs gerne noch ein bisschen um eine positive Aussicht betteln. Gibt es denn etwas, auf das wir uns dieses Jahr freuen können? Sandra Beckmann: Wir werden weiterhin aktiv mit den Politikern im Gespräch bleiben und uns bemühen, dass wir so bald als möglich wieder arbeiten können. Einige Forderungen von uns sind wortwörtlich in die Novemberhilfe geflossen, das bedeutet, dass man uns zuhört. Zudem ist es uns wichtig, das, was wir bisher erreicht haben, auch gemeinsam in die Zukunft zu tragen und zu etablieren. Wir brauchen die dauerhafte Stimme in der Politik. Carolin Kebekus: Was ich leider nicht sagen kann, ist, dass ich diese Pandemie genutzt habe, um ein neues, geiles Programm zu schreiben. Aber: Es wird ab März ein fantastisches Hörspiel geben, das ich eingesprochen habe und das mir unglaublich viel Spaß gemacht hat. Noch in diesem Frühjahr bin ich bei der neuen Amazon Prime-Comedyshow „Last One Laughing“ dabei und ab Mai geht auch meine Sendung im Ersten weiter. Und ich schreibe an einem Buch. Wenn ich mir etwas wünschen dürfte, dann das, dass wir ganz bald die Termine mit dem „PussyNation“-Programm spielen könnten, die in 2020 ausgefallen sind. Ich habe so lange daran gearbeitet, bis es rund war. Und ich finde, es ist das beste Programm geworden, das ich je hatte. Das muss doch unter die Leute! Und eins weiß ich: Ich habe auf gar keinen Fall Bock, auf der Bühne über die Pandemie zu sprechen. Also muss erst einmal wieder eine gewisse Normalität her, über die man dann schreiben kann. KLAAF: Die wünsche ich uns allen. Herzlichen Dank für das Gespräch. Sandra Beckmann, geboren 1981 in Düsseldorf, hat das Event-Kombinat gegründet, das sich neben technischen und organisatorischen Aspekten bei Veranstaltungen auch um die Vernetzung von Unternehmen der Veranstaltungsbranche bemüht. Die dreifache, alleinerziehende Mutter ist leidenschaftliche Veranstaltungsdienstleisterin, Initiatorin von der „Initiative für die Veranstaltungswirtschaft“ und Mit-Initiatorin des Bündnisses #AlarmstufeRot. Sie lebt in Castrop-Rauxel. www.alarmstuferot.org Carolin Kebekus, geboren 1980 in Bergisch Gladbach, ist eine Instanz in der deutschen Comedy-Szene und wäre eigentlich gerade mit ihrem Programm „PussyNation“ unterwegs. Seit 2020 ist sie mit der „Carolin Kebekus Show“ im Ersten zu sehen und ist weiterhin Ensemblemitglied in der „heute show“. Seit Jahren setzt sich die Kölnerin mit eigener Veranstaltungsfirma für politische und gesellschaftlich relevante Themen ein. Jetzt erhebt sie für diejenigen in ihrer Branche die Stimme, die die Corona-Pandemie existentiell getroffen hat. KÖLNER KÖPFE KLAAF 9
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